Alumni im Interview: Heidemarie Wieczorek-Zeul von der Goethe-Universität
Auch Politikerinnen haben schon bei uns in der Mensa gegessen wie beispielsweise Heidemarie Wieczorek-Zeul (80). Die Politikerin war von 1998 bis 2009 elf Jahre lang Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und hat in den 60er Jahren an der Goethe-Universität Lehramt Englisch und Geschichte studiert. Welche Erinnerungen Sie an ihr Studium und an unsere Dienstleistungen hat, erzählt Sie im Interview.
Sie haben von 1961-65 Englisch und Geschichte auf Lehramt an der Uni Frankfurt studiert; wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Als ich mit dem Studium anfing, war die Lehrerausbildung gerade erst in die universitäre Ausbildung integriert worden, und so gab es auf dem Campus Bockenheim eigentlich keinen festen Platz für uns – außer für die großen Vorlesungen, die natürlich im Hauptgebäude stattfanden. Viele Veranstaltungen waren aber über die Stadt verteilt, vor allem im Westend, daher war man damals irgendwie immer unterwegs. Gerade in kalten Wintern war das besonders unangenehm, denn ich hatte häufig nasse Füße.
Welche Einrichtungen beziehungsweise Dienstleistungen des Studierendenwerk sind Ihnen von damals vertraut?
Da ich in Frankfurt-Seckbach wohnte, brauchte ich kein Wohnheimzimmer, aber ich habe natürlich die Mensa und die Cafeteria genutzt, kann mich allerdings an kein Lieblingsessen erinnern. Dass ich allerdings überhaupt studieren konnte, war mir nur möglich, weil es keine Studiengebühren gab und ich das Honnefer Modell nutzen konnte. Dies war ein Vorläufer des heutigen BAföG zur finanziellen Unterstützung von Studierenden, und ich war sehr froh und dankbar, dass es eine solche Förderung gab. Denn letztlich wäre ich ohne dieses Studium an der Uni Frankfurt niemals die geworden, die ich jetzt bin.
Welche besonderen Erinnerungen verbinden Sie mit Ihrem Studium?
Tatsächlich sehr schöne, denn 1962 lernte ich in der Cafeteria meinen Mann Norbert Wieczorek kennen, der in Frankfurt BWL studierte! Wir saßen an demselben Tisch und kamen ins Gespräch, trafen uns dann öfter und heirateten 1965. Immerhin hielt unsere Ehe über 15 Jahre lang, und leider ist er vor kurzem verstorben.
Eine Begegnung hat mich für mein ganzes Leben geprägt, denn ich hatte die große Gelegenheit, an einem Kolloquium des damaligen hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer teilzunehmen, das er parallel zu den Frankfurter Auschwitz-Prozessen anbot. Er hat mich gelehrt, rechtzeitig „Nein“ zu sagen sowie vor allem Faschismus und Nazi-Parolen, der generellen Abwertung von Menschen durch andere Menschen, entschlossen entgegenzutreten.
Hatten Sie seitdem nochmal Berührungspunkte mit der Universität beziehungsweise mit dem Studierendenwerk?
Schon während meines Studiums war ich ja politisch engagiert, habe dann aber nach meinem Examen rund zehn Jahre lang als Lehrerin in Rüsselsheim unterrichtet. 1979 wurde ich ins Europäische Parlament gewählt und 1987 in den Bundestag. In dieser Zeit hatte ich in Bockenheim immer mal Veranstaltungen zu internationaler Politik, und auch auf dem Campus Westend war ich bei Seminaren. Außerdem bin ich Teil der „Freunde und Förderer der Goethe-Universität“.
Was halten Sie von der jüngst erfolgten Umbenennung in „Studierendenwerk“?
Dazu kann ich nur sagen, es wurde aber auch mal Zeit!
Möchten Sie dem Studierendenwerk für die nächsten 100 Jahre noch etwas mit auf den Weg geben?
Als Lehrerin habe ich meinen Schülern immer mitgegeben, dass der Kopf zum eigenen Denken da ist – und nicht zum Nicken! Dieses Motto passt für alle Lebenslagen, ob privat oder beruflich, und politisches Engagement ist sowieso wichtig. Zwei Forderungen: Keine Studiengebühren, und tun Sie alles für eine gerechtere Welt!
Das Interview führte Stephanie Kreuzer.
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